Jeder Mensch ist ein Wunder. Niemand kann das so bestätigen wie die Eltern, in deren Hände ein neugeborenes Leben gelegt wird. Herzlich willkommen auf dieser Welt, es ist dein Leben, das vor dir liegt, einzigartig und unverwechselbar!
Wie viele Talente schlummern wohl in dir? Wohin wird es dich einmal ziehen? Welche Antworten wirst du dem Leben einmal geben, wenn es dich vor Herausforderungen und an Grenzen führt? Ein großes Staunen und viele Fragen stehen am Beginn eines jeden Lebens. Seit jeher gehört es zu den großen Aufgaben der verschiedenen Kulturen, diesem Staunen und Fragen eine Deutung, eine Richtung zu geben. Wir nennen das „Initiation“.
Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort „iter“ ab, was so viel bedeutet wie „Weg“. Bei einer Initiation wird etwas auf den Weg gebracht, auf ein Ziel ausgerichtet. Wir könnten auch sagen, eine große Erzählung, die das Staunen und Fragen ernst nimmt und sie deuten hilft, wird dem Leben grundgelegt und in einer rituellen Feier zum Ausdruck gebracht.
Für Christinnen und Christen machen diesen Weg drei Feste aus: Die Taufe, die Firmung und die erste Feier der Eucharistie (Erstkommunion). Fast zweitausend Jahre lang haben diese Feiern Zeit gehabt, sich mit der Kirche zu entwickeln. Bei uns werden sie heute meist in der Form der Taufe im ganz frühen Kindesalter, der Erstkommunion während der Volksschulzeit und der Firmung beim beginnenden Erwachsenwerden gefeiert. Aber worum geht es dabei? Worauf wird das Leben ausgerichtet, wenn man sich für diese Form der Initiation entscheidet? Welche Grunderzählung ist es, die das Staunen und Fragen meines Lebens aufzunehmen vermag?
In der Taufe wird mein Leben auf Christus ausgerichtet. Ihm will ich ähnlich werden. An ihm will ich mich orientieren, und seinem Beispiel will ich folgen.
Gott, so erzählt es die Bibel auf ihren ersten Seiten schon, liebt den Menschen. Jedem und jeder schenkt er das Leben, damit es in Liebe gelingt. Gott macht nichts Schlechtes. Zum Gutsein und zum Gelingen ist das Leben in all seinen Formen geschenkt. Dabei meint „gelingen“ nicht „perfekt“ werden. Rein menschliches Maßnehmen und Streben nach irgendeiner Form von Perfektion werden dem großen „Ja“ Gottes, das er zu jedem und jeder bedingungslos sagt, nie gerecht.
In Liebe gelingt das Leben dort, wo es mit anderen geteilt wird, wo ich bereit bin, mich selber zum Geschenk zu machen, und von anderen beschenkt zu werden. Das ist nicht leicht, braucht Mut und Zuversicht, und ich muss lernen, auch mit Enttäuschungen und Verletzungen umzugehen.
Um uns Menschen diesen Mut zu schenken, so erzählt es die Bibel im Neuen Testament, wird Gott selber ein Mensch. In Jesus aus Nazareth kommt er als Kind zur Welt und zeigt uns, wieviel ihm an den Menschen liegt. Vor allem zeigt er uns, dass wir nicht selbstgenügsam Gott zu spielen brauchen, um Enttäuschungen und Verletzungen zu entgehen. Im Gegenteil, wo der Mensch anfängt wie Gott sein zu wollen, beginnen um ihn herum Enttäuschung und Verletzungen erst recht zu wachsen. Um uns von dieser alten Versuchung zu erlösen, geht Gott in Jesus bis zum Äußersten. Er steigt selbst in die Ungeschütztheit der menschlichen Existenz, die selbst Sinnlosigkeit und Einsamkeit umfasst. Er teilt am Kreuz unseren Tod, um doch zu zeigen, dass all das nicht das letzte Wort ist, das über den Menschen gesagt werden kann. Stärker als der Tod ist seine Liebe. Unzerstörbar ist das Wunder des Lebens und dazu geschenkt einmal ewig zu werden, zeitlos gelungen zu sein.
Diese Zusage, diese Grundgeschichte des Lebens wird bei der Taufe in jedes Menschenleben neu hineinerzählt. Das Taufbecken ist der Ort in der Kirche, wo sich genau das seit vielen Jahrhunderten vollzieht: Im Ritual des Eintauchens in das Taufwasser und des daraus Herausgehobenwerdens in ein neues Leben, das an Christus ausgerichtet ist.
Der heilige Paulus versucht genau das der Christengemeinde in Rom seiner Zeit in prägnanten Worten zu erklären:
„Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln.“ (Röm 6,4)
Christus ähnlich werden heißt, mein ganzes Leben, auch und gerade dessen Ende, das irgendwann einmal kommen wird, in ihm mit Gott verbunden zu wissen. Im Wasser der Taufe wird sozusagen alles, was ich bin und sein werde, meine ganze Existenz, in Gottes Liebe eingetaucht, davon umhüllt und berührt. So bin ich jetzt schon bei ihm zu Hause, weiß mein Leben auf ihn hin ausgerichtet. Herausgehoben aus dem Wasser der Taufe kann ich nun staunend und fragend daran gehen, mein Leben mit anderen zu teilen, selber ein Geschenk zu werden, so wie Gott in Jesus ganz zum Geschenk für mich geworden ist. Keine Enttäuschung, keine Grenze des Lebens wird stärker sein als seine Zusage: „Du bist mein geliebtes Kind!“
Freilich brauchen die Zeichen und die Sprache eines durch viele Jahrhunderte gewachsenen kirchlichen Rituales eine Deutung, um sie auch heute auf sich persönlich beziehen zu können. Das soll in diesem Behelf geschehen.
Überall aber leuchtet die hier geschilderte Grunderzählung durch: In der Rede von einem neuen Leben in Christus, in der Anrede, Kinder Gottes zu sein, in der Hoffnung, alles was böse und unmenschlich ist, nicht das letzte Wort bekommen zu lassen, im Freiwerden von der alten Versuchung, und vor allem in den vielen Texten aus der Bibel, die Gottes großes „Ja“ zum Leben und zu jedem und jeder einzelnen als „Wunder Mensch“ zu erzählen wissen.
Jeder Mensch, der getauft wird, ist nicht nur in die Kirche allgemein aufgenommen, sondern wird Teil einer realen Gemeinde mit konkreten Menschen.
Die Taufe versteht sich nicht als „Projekt“, das mit der Taufe abgeschlossen wird, sondern als Beginn eines Weges als Christ:in. In einer lebendigen Gemeinschaft lässt sich dieser Weg leichter gehen. Das wissen wir auch schon von den ersten Christ:innen vor 2000 Jahren.
Von daher ist es auch sinnvoll, die Pfarrgemeinde bei der Taufe des eigenen Kindes mitzudenken: Es könnte ein schönes Zeichen sein, dass Vertreter:innen der Gemeinde bei der Taufe dabei sind und mitfeiern und ev. ein Begrüßungsgeschenk der Pfarre an die Tauffamilie übergeben. Besonders wird diese Verbindung mit der Pfarrgemeinde unterstrichen, wenn die Taufe im Rahmen des Sonntagsgottesdienstes oder gar in der Osternacht gefeiert wird
Weltweit gibt es rund 2,26 Milliarden Christ:innen. Eine große Gemeinschaft, in der man sich aufgehoben wissen kann. Eine Gemeinschaft, die durch konkrete Werke unterstützt und den Glauben an Christus stärkt und lebendig hält. In diese Gemeinschaft wird man hineingetauft.