Die Wallfahrtskirche St. Leonhard ob Tamsweg (Hl. Leonhard)

Am Abhang der Schwarzenberges steht wie ein Fingerzeig Richtung Himmel die Wallfahrtskirche St. Leonhard. Der Ursprung der Kirche ist legendenumrankt: Die Statue des Hl. Leonhard, die am rechten Seitenaltar, dem „Gnadenaltar“ steht, soll etwas unterhalb des Kirchenstandorts, am „Ursprung“ aufgefunden worden sein und trotz sicherer Verwahrung in der Pfarrkirche immer wieder an den Ort zurückgekehrt sein, wo sie die Kirche errichtet haben wollte. Der Heilige selbst soll also den Ort ausgesucht haben. Verdächtig erscheint nur, dass ungefähr hundert Jahre früher in St. Leonhard im Lavanttal (Kärnten) genau der gleiche Vorgang zum Entstehen der dortigen Wallfahrtskirche geführt hat. Der Ort wird auf alle Fälle von vielen Menschen als Kraftplatz erlebt. So ein Erleben kann dazu geführt haben, dass hier die Kirche erbaut wurde. Umgekehrt machen wohl auch die vielen Gebete von Menschen, die von Nahe und Fern hierher gekommen sind, die Kirche zu einem besonderen Ort.

 

Zur Geschichte der Kirche

In den 20er-Jahren des 15. Jahrhunderts begann der Bau der Kirche, sozusagen um die Statue des Hl. Leonhard herum. Bei der Kirchweihe 1433 wird nach heutigem Wissenstand nur der Altarraum fertig gewesen sein, der damals möglicherweise mit einem provisorischen Westabschluss im Triumphbogen schon einige Jahre als Gottesdienstraum genutzt worden ist.

Der Dachstuhl des Kirchenschiffs entstand erst 1434/35. Zwischen 1460 und 1470 wurde der Turm erbaut, zunächst aber nur bis zur ersten Glockenstube, das ist die Etage mit den kleineren Fenstern. Danach erachtete man zunächst die Errichtung der Wehrmauer für vordringlich, da in den Nachbarländern vermehrt türkische Truppen plündernd und brandschatzend einfielen. Anfang des 16. Jahrhunderts ging man an die Erhöhung des Turms bis zur heutigen Mauerkrone, das Dach hatte damals die Form einer flachen Pyramide. Die heutige Dachform dürfte auf das Jahr 1609 zurück gehen, nach einem Brand 1860 musste die Turmspitze neu gezimmert werden.

In der Barockzeit, als die Kapuziner in Tamsweg wirkten und auch die Seelsorge in St. Leonhard zu versehen hatten, wurde ein Großteil der künstlerischen Ausstattung geschaffen. In den 1860er-Jahren erfolge die letzte grundlegende Innenrenovierung, zwischen 1888 und 1913 eine umfassende Außenrenovierung. Reparaturmaßnahmen und kleinere Sanierungsarbeiten waren immer wieder erforderlich. 2009 bis 2014 konnte wiederum eine sehr gründliche Außenrenovierung durchgeführt werden.

Bemerkenswert ist, dass die Glocken von St. Leonhard nie abgeliefert werden mussten, sie stammen aus den Jahren 1469, 1472 und 1621. Akustische Untersuchungen bescheinigen ihnen eine außerordentliche Klangqualität.

Eine weitere Besonderheit ist die Mesnerfamilie. Das Mesnerhaus stammt aus der Zeit der Wehrmauererrichtung. Der Mesnerdienst wurde durch das Recht auf Bewirtschaftung der kleinen angeschlossenen Landwirtschaft und zeitweise auch auf Schnapsausschank entlohnt. Seit 1665 wird die Mesnerei in St. Leonhard in ununterbrochener Erbfolge von der Familie Lederwasch bzw. seit 1897 aufgrund einer weiblichen Erbfolge Resch versehen. Sieben Generationen Lederwasch wurden als Maler berühmt, sie hinterließen Werke sowohl in St. Leonhard als auch in der Pfarrkirche Tamsweg, im ganzen Lungau und weit darüber hinaus.

 

Führung durch die Kirche

Die Fülle an interessanten, bemerkenswerten und qualitätsvollen Details in der Ausstattung der Kirche macht eine umfassende Darstellung in diesem Rahmen unmöglich. Einen guten Einblick geben die Führungen, zu denen die Mesnerinnen gerne bereit sind. Hier soll nur auf ein paar besonders sehenswerte Stücke verwiesen werden.
 

Den ersten Eindruck des Raumes dominieren die barocken Altäre, neun an der Zahl. Der Hauptaltar von 1660 zeigt eine Marienkrönung und die Heiligen Franziskus und Dominikus, umrahmt von Statuen der Diözesanpatrone Rupert und Virgil, sowie im oberen Altaraufbau der Heiligen Leonhard, Jakobus (der Pfarrpatron) und Christophorus (wohl wie in der Pfarrkirche eine Spur zu einem Christoph Kuenburg). Im Bart der Gott-Vater-Figur ist ein Selbstporträt des Bildhauers eingearbeitet. Die Statuen der Heiligen Leonhard und Jakobus stammen vom gotischen Flügelaltar, der ursprünglich an dieser Stelle stand. Sie umrahmten wohl die Marienstatue, die jetzt links im Kirchenschiff positioniert ist. Zu diesem Altar gehörten auch Altarflügel, die heute an den Obergadenwänden ausgestellt sind, je ein Satz Reliefs und Malereien aus dem Marienleben. Auch Verzierungen des ursprünglichen Altars finden sich in der Kirche verteilt.
 

Der Hochaltar ist umrahmt vom Marienaltar und vom Gnadenaltar des Hl. Leonhard, dessen Statue auf dem Holunderstock steht, auf dem es laut Legende aufgefunden wurde.
 

Die vielen Votivtafeln und „Mirakelbilder“ sind Spuren der Wallfahrt. Hier haben Menschen, deren Gebet erhört worden ist, ihren Dank ins Bild gebracht.
 

Der kostbarste Schatz der Kirche sind die gotischen Buntglasfenster. In Österreich ist kein vergleichbar großer und wertvoller Bestand erhalten geblieben. Rechts im Chor befindet sich das so genannte „Goldene Fenster“, das, ganz in gold und blau gehalten, Szenen mit dem Hl. Leonhard und einen Gnadenstuhl (ein Bild der Dreifaltigkeit) zeigt. In der hinteren rechten (südseitigen) Seitenkapelle zeigt das Fenster die „Apostelmühle“: Die Apostel mahlen die Körner des Wortes Gottes, die Kirchenväter (als Symbol der Kirche und ihrer Lehrtradition) fangen das Mehl auf, die Gläubigen empfangen es in Form des Brotes der Eucharistie.
 

Zur alten Einrichtung der Kirche gehört ein Chorstuhl aus dem 15. Jahrhundert, dessen geschnitzte Wange den Pelikan zeigt, der durch sein Blut seine Jungen nährt, ein (legendäres) Sinnbild für den Opfertod Jesu. Der barocke Beichtstuhl im linken Seitenschiff ist der älteste Beichtstuhl in Salzburg. An ihm wird deutlich, wie sich die Bevölkerung im Lauf der Zeit entwickelt hat: Seine Maße sind für heutige Menschen viel zu klein, ein normal gewachsener Priester kann nicht richtig darin sitzen.
 

Die Orgel der Wallfahrtskirche ist das einzige erhaltene Werk des Orgelbauers Hans Dummel von 1838/39. Sie wurde 2006/07 von Walter Vonbank aus Triebendorf bei Murau gründlich restauriert.
 

Im Kirchenschatz von St. Leonhard finden sich zwei wertvolle liturgische Geräte aus dem 15. Jahrhundert: Eine Monstranz trägt die Jahreszahl 1439. In ihr wird das eucharistische Brot am „Leonhards- oder Bruderschaftsprangtag“, am Sonntag nach Fronleichnam, in feierlicher Prozession von St. Leonhard zur Pfarrkirche getragen und auch bei anderen Gelegenheiten zur Verehrung gezeigt. Ein Kelch gilt als Stiftung des Grafen und Minnesängers Hugo XII. von Monfort-Bregenz (1357-1423), der in seinen letzten Lebensjahren Landeshauptmann der Steiermark war und wohl als solcher in der Gründungszeit der Wallfahrt seinen Beitrag leistete. Beide Stücke sind nur im liturgischen Gebrauch zu sehen. Ein geplantes Museum für die Werke der Familie Lederwasch könnte vielleicht zur Gelegenheit werden, diese Kostbarkeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
 

Außen an der östlichen Wehrmauer findet sich eine Kreuzigungsgruppe von Johann Georg Mohr aus dem Jahr 1691, die 2014/15 restauriert wurde. Ein paar Schritte weiter gelangt man zur Maria-Hilf-Kapelle, die mit der Wehrmauer zusammen errichtet wurde, aber vielleicht erst durch spätere Umbauten zur von außen zugänglichen Kapelle geworden ist. Sie ist ein Ort der volkstümlichen Frömmigkeit und nimmt auch zeitgenössische Votivgaben auf. Bei der Restaurierung 2013/14 kamen Wandkritzeleien aus dem 18. Jahrhundert zum Vorschein - die Untugend, unpassende Spuren zu hinterlassen, hat also eine lange Geschichte.

 

Markus Danner

 

Informationen und Führungen:
Familie Resch, Am Leonhardsberg 1, 5580 Tamsweg, Tel.: +43 64746870.

Nähere Angaben in: Neuhardt, Johannes, Tamsweg. Pfarrkirche und St. Leonhard (Christliche Kunststätten Österreichs 31), Salzburg (Verlag St. Peter) 61995. Dieser Kirchenführer ist erhältlich in der Pfarrkirche bzw. im Pfarrhof Tamsweg sowie im Mesnerhaus in St. Leonhard.

 

Quellen:

Martin, Franz, Die Denkmale des politischen Bezirkes Tamsweg (Österreichische Kunsttopographie 22), Wien 1929.

Heitzmann, Klaus/Anton/Josefine, Tamsweg. Die Geschichte eines Marktes uns seiner Landgemeinden, Tamsweg 2008.

Archivalien der Pfarre Tamsweg.

Bilder: Rudolf Moser, Tamsweg.