Seit ca. 1000 Jahren leben Menschen in Lessach, mit der Zeit ist das Dorf entstanden, und mitten im Dorf eine Kirche - wahrscheinlich im 13. Jahrhundert -, die dem Hl. Paulus geweiht ist. Am Fest „Pauli Bekehrung“, am 25. Jänner, ist das Patrozinium, das Namenstagsfest der Kirche. Der Apostel Paulus, der als ein eifriger, stürmischer Schriftgelehrter zunächst den Glauben an Jesus Christus verfolgt hatte, hat nach seinem Berufungserlebnis mit aller Kraft seines Geistes und viel körperlichem Einsatz den Glauben an Christus verkündet: Gott hat den Gekreuzigten von den Toten auferweckt hat - so hat Gott allen, die glauben, einen Weg geöffnet, der durch Schwäche und Ohnmacht zum Heil, zur Erlösung führt.
Diesen Glauben feiert die Pfarrgemeinde von Lessach in dieser Kirche. Und auch Sie sind eingeladen, hier auf das Wort Jesu Christi, auf seinen Ruf zu hören.
Die Geschichte der Kirche von Lessach ist eng mit der Geschichte des Dorfes verknüpft. Alle günstigen und unheilvollen Entwicklungen haben Spuren am Gotteshaus hinterlassen. Der Turm (bis unterhalb der Glockenstube) könnte ein Teil der allerersten Kirche von Lessach sein, die dann im gotischen Stil um 1500 neu errichtet worden ist. Der Altarraum der gotischen Kirche hat die Zeiten überdauert und steht noch heute. Die Fresken, mit denen die Kirche geschmückt war, sind allerdings spätestens beim Brand von 1857 zerstört worden. Als die Kirche wegen einer gewachsenen Bevölkerung oder einer größeren Bedeutung des sonntäglichen Kirchgangs zu klein wurde, ein Neubau aber viel zu teuer für das arme Tal gekommen wäre, wurde 1762 das Kirchenschiff zwischen Altarraum und Turm abgerissen und vergrößert wieder aufgebaut. 1857 und 1908 richteten verheerende Brände großen Schaden an. Aber mit viel Einsatz bauten die Lessacher und Lessacherinnen ihre Kirche immer wieder auf. Ihre heutige Form hat die Kirche nach dem letzten Brand bekommen. Nur wenige barocke Kunstwerke (ein paar Engel, das Dreifaltigkeits-Relief, das Kreuz und die Pietà im Andachtsraum oder „Turmkammerl“) konnten damals gerettet werden, fast die gesamte Einrichtung, Altäre, Statuen, Bänke, Orgel, liturgische Geräte und Gewänder mussten neu angeschafft werden. Das Bild der Marienkrönung am Triumphbogen wurde nach dem 2. Weltkrieg geschaffen. Hundert Jahre nach dem Wiederaufbau der Kirche wurde im Zuge einer Innenrenovierung die Gestaltung des Raumes überarbeitet und der Altarraum neu ausgestattet.
Jeder Kirchenraum will die Menschen an den Himmel erinnern. Die Kirche ist eine steinerne Predigt davon, dass uns der Himmel offensteht - eine Glaubenswahrheit, die bei jedem Gottesdienst wieder gefeiert wird. Der seitlich offene „Baldachin“ im Kirchenschiff, das Wandbild von der Krönung der Gottesmutter Maria, alle Bilder und Statuen von Engeln und Heiligen wollen eine Ahnung vom Himmel geben, an dem wir jetzt schon ein bisschen teilhaben. Auch das Gold in der Kirche und an liturgischen Geräten soll nicht Reichtum zur Schau stellen, sondern auf die himmlische, alle irdische Mühe übersteigende Herrlichkeit verweisen.
Der Hochaltar ist dem Hl. Paulus, dem Patron der Kirche, geweiht. Die Statuen im Altarschrein zeigen ihn mit dem Schwert, dem Instrument seines Martyriums, zusammen mit dem Apostel Petrus. Am linken Altarflügel ist das Berufungserlebnis vor Damaskus dargestellt: Der auferstandene Christus spricht den zu Boden gestürzten Paulus an (vgl. Apg 9). Der rechte Altarflügel zeigt das Martyrium des Hl. Paulus, seinen Tod durch das Schwert.
Im Zentrum des linken Seitenaltars ist die Gottesmutter Maria dargestellt, darüber die Statuen der hl. Joachim und Anna, der Eltern Mariens, und in der Mitte ein Engel mit Spruchband. Der rechte Seitenaltar ist der Hl. Familie geweiht, die um die Wende zum 20. Jahrhundert sehr verehrt worden ist: In Reaktion auf die damaligen gesellschaftlichen Umwälzungen ist die Hl. Familie als Vorbild und himmlische Beschützerin für die Familien hoch gehalten worden. Ober dem Relief flankieren die Bauernpatrone Isidor und Notburga eine Statue der Hl. Barbara, der Patronin der Bergleute - eine Erinnerung, dass in der Vergangenheit auch in Lessach Bergbau betrieben worden ist. Auf den Flügeln der Seitenaltäre sind heilige Bischöfe von Salzburg dargestellt, von links nach rechts die Hll. Rupert, Vital, Virgil und Thiemo. Sie drücken unsere Verbindung mit der Kirche von Salzburg aus und zeigen, dass wir in einer langen Geschichte und Tradition des Glaubens stehen, der auch unser Leben trägt und den wir an die kommenden Generationen weiter geben wollen.
In der Kirche finden wir noch Statuen der Hl. Florian (mit dem Wasserschaff, Patron gegen Feuergefahr), Georg (mit dem Drachen, Nothelfer, Patron der Bauern), Aloisius (junger Mann mit Lilie, Patron der Jugend), Johannes Nepomuk (Priester mit Sternenkranz und Kreuz, Patron gegen Gefahren des Wassers), sowie der Evangelisten Matthäus und Johannes. So finden wir uns als Kirchenbesucher inmitten einer himmlischen Schar von Heiligen und Engeln, die uns mitnehmen in das Lob Gottes, das im Himmel und auf der Erde erschallen soll. In früheren Zeiten, als die Menschen die Bedrohung ihres Lebens und die Hilflosigkeit vor den Naturgewalten viel deutlicher spürten als heute, sind die Heiligen wichtig gewesen als Fürsprecher vor Gott. In der Unsicherheit des Lebens haben Menschen Halt gefunden in der gläubigen Gewissheit, von höherer Macht Geborgenheit und Schutz zu erfahren. In den Bildern des Kreuzwegs Jesu können wir auch das eigene Leid, die Erfahrungen von Scheitern und Ohnmacht wiederfinden. Der Kreuzweg mündet in die Auferstehung, die am Altar gefeiert wird und unsere Hoffnung ist.
Eine Besonderheit ist die Gestaltung des Friedhofs von Lessach. Die Gräber sind einheitlich mit schwarz und silbern bemalten Holzrahmen, den „Sarchen“, eingefasst und mit schmiedeeisernen Kreuzen geschmückt. Vor Jahrzehnten hat sich die Pfarrgemeinde entschlossen, diesen alten Brauch durch die Friedhofsordnung festzuschreiben und so am Friedhof sichtbar zu halten, dass wir im Tod alle gleich werden.
In der Krypta der „Seelenkapelle“, die im Nordosten an die Kirche angebaut ist, sind die Gebeine der Vorfahren aufbewahrt. Früher ist es üblich gewesen, die Toten nicht in Familiengräbern beizusetzen, sondern der Reihe nach in Einzelgräbern. Wenn der Friedhof voll belegt war, sind die jeweils ältesten Gräber wieder geöffnet, die Gebeine ausgegraben und im „Karner“ aufbewahrt worden, um Platz für die nächsten Beerdigungen zu schaffen. So sind wohl die Denkmäler der einzelnen Verstorbenen nicht bewahrt worden, aber sie haben ihren Platz zwischen Lebenden und Heiligen behalten.
Markus Danner
Quellen:
Ortner, Franz/Sagmeister, Raimund, Lessach im Lungau, Lessach 1992.
Befunde der Renovierung 2008-2010.