In der katholischen Kirche wird die Ehe als ein Bund angesehen, durch den Mann und Frau miteinander eine umfassende Lebens- und Liebesgemeinschaft begründen.
Sie ist auf das Wohl der Gatten und auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet.
Die christliche Ehe zwischen Getauften gilt als Sakrament und weist hin auf den Bund zwischen Christus und seiner Kirche. Wesenseigenschaften der Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit. Die Kirche weiß sich dem Wort Christi verpflichtet: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,6; Mk 10,9).
Nichtsakramentale Ehen (zwischen einem Getauften und einem Ungetauften bzw. zwischen zwei Ungetauften, sogenannte Naturehen) können, auch wenn sie vollzogen sind, vom Papst unter bestimmten Voraussetzungen aufgelöst werden. Dies geschieht dann „zugunsten des Glaubens“, d. h. in einer neuen christlichen Ehe. In diesem Falle sind die Voraussetzungen in einem Verfahren durch das zuständige Diözesangericht zu prüfen.
Eine zwischen Getauften geschlossene und vollzogene Ehe kann nur durch den Tod gelöst werden. Hat jedoch aus irgendeinem Grund der geschlechtliche Vollzug nicht stattgefunden, ist die Ehe auflösbar, auch wenn sie formal gültig zustande gekommen ist.
Diese Eheauflösung ist jedoch dem Papst vorbehalten, der auf eine entsprechende Bitte hin entscheidet. Dem geht ein Verfahren voraus, welches gewöhnlich in der Diözese des Wohnsitzes des Bittstellers durchgeführt wird.
Da die unter Christen gültig geschlossene und vollzogene Ehe unauflösbar ist, kann es keine kirchliche Ehescheidung geben.
Es gibt jedoch Fälle, in denen bei der Trauung eine gültige Ehe gar nicht zustande kam. Ein kirchliches Gericht kann daher nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes zu der Feststellung gelangen, dass ein Eheband von Anfang an nicht bestanden hat. Diese Feststellung nennt man Ehenichtigkeitserklärung oder Eheannullierung.
Eine gültige Ehe kommt u. a. nicht zustande, wenn ein oder beide Partner aufgrund organischer und/oder psychischer Störungen zur Führung einer Ehe als Lebens- und Liebesgemeinschaft unfähig ist/sind oder sie die Ehe nicht mit all den Eigenschaften und Konsequenzen schließen wollten, die nach Auffassung der katholischen Kirche zum Wesen der Ehe gehören (z. B. Unauflöslichkeit, Treuepflicht, Bereitschaft zum Kind): Das sind sogenannte Ehewillensmängel. Daneben gibt es noch die echten Ehehindernisse - insgesamt 12, z. B. Blutsverwandtschaft oder ein bestehendes früheres Eheband - sowie die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Eheschließungsform.
Beim kirchlichen Ehenichtigkeitsprozess handelt es sich um das gerichtliche Verfahren, in dem geklärt wird, ob in einem bestimmten Fall die Ungültigkeit der Ehe durch glaubwürdige Aussagen der Parteien, unterstützt durch Zeugenaussagen oder andere gleichwertige Beweismittel (Urkunden, Briefe, Gutachten usw.), zweifelsfrei nachgewiesen ist. Es geht also nicht darum, die Schuldfrage für das Scheitern der Ehe festzustellen, sondern zu klären, ob die Ehe gültig zustande gekommen ist. Der Prozess wird daher nicht gegen den anderen Partner geführt, sondern gegen die gesetzliche Annahme, die Ehe sei gültig! Ein von Amts wegen bestellter Ehebandverteidiger hat dabei im Prozess alles vorzubringen, was für die Gültigkeit der Ehe spricht.
Zuständig für die Durchführung eines kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahrens ist in der Regel das kirchliche Gericht der Diözese, in welcher der Wohnsitz oder Nebenwohnsitz eines der beiden Ehegatten oder der Trauungsort liegt, beziehungsweise das Gericht, in dessen Bereich die meisten Beweise tatsächlich zu erheben sind.
Jeder, ob getauft oder ungetauft, kann einen Antrag auf ein Eheannullierungsverfahren stellen. Wer eine kirchliche Eheannullierung anstrebt, wird zunächst in einem Vorgespräch mit einem Mitarbeiter des Kirchengerichtes abklären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ehenichtigkeitsverfahrens gegeben sind. In diesem Beratungsgespräch werden auch Hinweise für die Ausarbeitung und den Inhalt der nötigen Antragsschrift erteilt. Vor der Einleitung eines kirchlichen Eheprozesses muss eine Wiederversöhnung der Partner nach menschlichem Ermessen unmöglich erscheinen, was nach dem Abschluss des zivilen Ehescheidungsverfahrens angenommen wird.
Da beide Ehegatten in der Kirche Rechtsschutz genießen, wird die zweite Partei über das geplante Ehenichtigkeitsverfahren informiert. Diese hat die gleichen Rechte wie die antragstellende Partei, d. h. sie wird gerichtlich gehört, kann Beweisanträge stellen und erhält Einsicht in die Prozessakten. Sollte die zweite Partei eine Mitwirkung an dem Verfahren ablehnen, verhindert sie den Fortgang des Verfahrens grundsätzlich nicht. Es kommt allerdings vor, dass mangels ausreichender Beweise ohne die Angaben des zweiten Ehegatten die Beweisführung erschwert ist.
Wer einen Ehenichtigkeitsprozess anstrengen will, sollte daher nach Möglichkeit seinen geschiedenen Ehegatten in allgemeiner Weise darüber informieren und ihn zur Mitwirkung an dem Verfahren zu bewegen suchen.
Der antragstellenden Partei obliegt es, die Beweise für die Klagebehauptung zu benennen. Neben den Namen und Adressen von möglichen Zeugen sollte auch angegeben werden, was diese wissen könnten. Im Interesse der Wahrheitsfindung kann das Gericht von Amts wegen zusätzliche Beweise erheben.
Eine mündliche Verhandlung, zu der die Parteien und Zeugen gemeinsam erscheinen, gibt es beim kirchlichen Eheprozess nicht. Die Ehepartner und die von ihnen benannten Zeugen werden jeweils einzeln zu verschiedenen Terminen unter Eid angehört. Die protokollierten Aussagen bilden mit anderen beweiskräftigen Schriftstücken die Grundlage für die Entscheidung des aus drei Richtern bestehenden Kollegialgerichtes. Das schriftliche Urteil wird den Parteien zur Kenntnis gebracht.
Ein Urteil, das erstmalig die Nichtigkeit der Ehe feststellt, wird nach möglicher Kenntnisnahme durch die Parteien nach 15 Tagen vollstreckbar.
Wenn eine Partei mit einem Urteil nicht einverstanden ist, kann sie bei der nächsthöheren Instanz Berufung einlegen. Die zweite Instanz für das Diözesangericht Salzburg ist das Metropolitangericht Wien. Sollte eine dritte Instanz notwendig werden, wird in der Regel die Römische Rota tätig.
Papst Franziskus sieht für erstinstanzliche Verfahren eine rasche Abwicklung vor, in der Regel ein halbes Jahr. Besondere Umstände können die Prozessdauer aber auch verlängern.
Wenn aufgrund eindeutiger und klar nachweisbarer Umstände die Ungültigkeit der betreffenden Ehe offensichtlich ist, kann auch ein Kurzverfahren geführt werden, in dem der Diözesanbischof selbst bereits nach wenigen Wochen die Entscheidung fällen kann.
Die von der antragstellenden Partei aufzubringende Gerichtsgebühr beträgt zurzeit für das erstinstanzliche Verfahren € 300,--. Weitere Ausgaben, z. B. für Fachgutachten, Übersetzungen oder Zeugengebühren sowie Kosten für ein zweitinstanzliches Verfahren können hinzukommen. Eine Reduktion oder ein Erlass der Prozesskosten oder der Sonderausgaben ist möglich.
Wurde die Nichtigkeit einer Ehe festgestellt, ist für die Partner eine kirchliche Wiederverheiratung unter den üblichen Voraussetzungen möglich. Es muss z. B. sichergestellt werden, dass die Partei, die die Nichtigkeit der Ehe verursacht hat, nunmehr mit dem rechten Ehewillen heiratet. Wurde die erste Ehe aufgrund von Eheunfähigkeit eines Partners für nichtig erklärt, muss feststehen, dass sich dieser Zustand inzwischen geändert hat.
Aus der annullierten Ehe hervorgegangene Kinder gelten von Rechts wegen nach wie vor als ehelich.