Im Gleichnis des wachsenden Gerstenkornes bis hin zur vollen Ähre möchte ich nun die intensive Verbundenheit der zwei Lebenshälften darstellen. Mit der Lebensmitte - im Gleichnis: die Blüte der Gerste - beginnt der Weg der Ganzwerdung des Menschen. In dieses „Ganz“ Werden ist alles mit einzubeziehen: das Spiel und die Arbeit, das Nützliche und das Nutzlose, das Bewusstsein und das Unbewusste, das Schöne und das Hässliche, das Weibliche und das Männliche, das Große und das Kleine, jung sein – alt sein, Leben und Tod…
Die 1. Lebenshälfte reicht vom Samenkorn bis zum Ährenschieben; menschlich gesehen von der Geburt bis ca. zum 35. Lebensjahr.
So wie ein Gerstenkorn eine Entsprechung – ein Gegenüber – braucht, um wachsen und reifen zu können, so braucht jeder Mensch ein Gegenüber – ein DU, um Mensch werden zu können. Ein Samenkorn und die heranwachsende Saat brauchen fruchtbare Erde, Wärme, Feuchtigkeit, Wind und Frost. So wachsen aus einem Korn durch Bestockung 2-4 Pflanzen mit später je einem Halm. Die Gerste wächst schnell heran und schiebt ihre Ähren geradewegs in den Himmel. Die Zeit des äußeren Wachstums ist vorbei.
Babys und Heranwachsende brauchen ein liebendes Gegenüber, Wärme im menschlichen Umgang und Lebenserfahrungen, die fruchtbar werden für das spätere Leben. Aus all dem wächst eine Sozialität, die auch dann wieder aufrichtet, wenn starke Lebensstürme einen Menschen nieder drücken. Die Entwicklung des ICH- Bewusstseins und der körperlichen Kräfte erreichen bis zum 35. Lebensjahr ihren Höhepunkt.
Die Lebensmitte ist im Gleichnis die Zeit der Blüte; im menschlichen Leben reicht sie vom 35. bis zum 50. Lebensjahr.
Die Gerstenähren zeigen blühend zum Himmel und erzählen so von der überschwänglichen Kraft des Lebens. Die Zeit der beginnenden Lebensmitte ist meist mit unbändiger Lebenskraft, Lebensfreude und Lebenslust verbunden. Mit der Lebensmitte beginnt aber auch das innere Wachstum. Dies ist die große Zeit der Wandlung. Andere Kräfte als die eigenen werden stärker spürbar. Es gilt in der Lebensmitte, so C.G. Jung in einem anderen Bild, das innere „Wertehaus“ zu bauen, damit der Mensch im Alter geistig nicht unbehaust ist und vom Sinn her nicht obdachlos.
Die 2. Lebenshälfte beginnt im Gleichnis mit dem ersten Reifestadium, der Milchreife und reicht bis zur Todreife - vom 50. Lebensjahr des Menschen bis zu seinem Sterben.
Nach der Milchreife
kommt die Teigreife,
dann die Gelbreife,
die Vollreife,
die Druschreife
und schließlich die Todreife!
Mit dem Fortschreiten der Reife verändert sich auch die Melodie eines wehenden Gerstenfeldes. Die Ähre senkt sich mehr und mehr und zeigt in der Todreife schließlich senkrecht zu Boden, dorthin, wo die Mutterpflanze verwurzelt ist. Sie gibt gleichnishaft die Antwort auf die Grundfragen des Menschen „Woher komme ich?“ und „Wohin gehe ich?“ - Der Mensch kommt aus einem großen Beziehungsgeschehen und er geht – innerlich gereift – wieder eine lebendige Beziehung ein. In der 2. Lebenshälfte wird bewusster, dass das Leben des Menschen ein Sterben ist, ein Hinein-Sterben in den lebendigen Gott! Hier gilt es auch, existentiell zu lernen, dass der Tod zum Leben des Menschen gehört, dass dieser aber trotzdem Zukunft hat und guter Hoffnung sein kann.
Rupert Aschauer
Freut euch und jubelt ohne Ende
über das, was ich nun schaffe!
Ich mache Jerusalem zur Stadt der Freude
und seine Bewohner erfülle ich mit Glück.
Ich selbst will an Jerusalem wieder Freude haben
und über mein Volk glücklich sein.
Niemand wird mehr weinen und klagen.
Es gibt keine Kinder mehr, die nur ein paar Tage leben,
und niemand, der erwachsen ist, wird mitten aus dem Leben gerissen.
Wenn jemand mit hundert Jahren stirbt, wird man sagen: ›Er war noch so jung!‹
Selbst der Schwächste und Gebrechlichste wird ein so hohes Alter erreichen.
Sie werden sich Häuser bauen und auch darin wohnen können.
Sie werden Weinberge pflanzen und selbst den Ertrag genießen.
Jsaja 65, 18-21
DVD 2006, 110 Min.
'Alzheimer im Anfangsstadium' lautet die Diagnose für Fiona. Sie und ihr Mann Grant blicken auf über vierzig Jahre Eheleben zurück. Ihr zurückgezogenes Leben an einem See in Ontario ist ausgefüllt mit Gesprächen, Lesen und Skiwanderungen. Zu Beginn der Geschichte hat Fiona nur gelegentliche Erinnerungsblockaden. Sie beobachtet jedoch die Veränderung mit klarem Verstand und entscheidet sich bewusst früh für ein Pflegeheim. Erst nach dreißig Tagen Eingewöhnungszeit darf Grant sie besuchen. Als er Fiona nach einem Monat wiedersieht, muss er schmerzlich erleben, dass diese sich sehr liebevoll um Aubrey, einen anderen Patienten, kümmert, ihn jedoch eher wie einen beliebigen Besucher behandelt. Grant, den Schuldgefühle wegen seines früher oft egoistischen Verhaltens quälen, springt über seinen Schatten. Er sucht an Fionas Seite nach den besten Lösungen für die neue Lebenssituation seiner Frau. In dieser filmischen Adaption der Kurzgeschichte von Alice Munro 'The Bear Came Over the Mountain' wird die unvermeidliche Krankheitsgeschichte vom Pathologischen ins Allgemeinere gewendet. Die zentrale Frage ist: Was bleibt von der Liebe, wenn die Erinnerung daran schwindet?
DVD(Signatur 108093) im Verleih der AV-Medienstelle der Erzdiözese Salzburg
in: Elisabeth Jünemann / Karl Langer (Hg.), Wenn die Freiheit in die Jahre kommt. Zehn sozialethische Impulse für den Umgang mit alten Menschen. Ein Lehrbuch für die Praxis. Mit einem Geleitwort von Reinhard Kard. Marx, Erkelenz 2015