"Der hochwürdige Ordinarius Sigismund hat sich in Ansehung der besonderen Zeitbedürfnisse auf dem Gebiete der praktischen Seelsorge bewogen gefunden, ein eigenes Seelsorgeamt ins Leben zu rufen, das alle erprobten alten und neuen Wege der zielbewussten seelsorglichen Betreuung unseres katholischen Volkes ausfindig machen und Priester sowie Volk darauf führen soll." Mit dieser Notiz im Verordnungblatt (Verordnungsblatt Nummer 17 von 1939) begründet Erzbischof Sigismund Waitz am 10. Jänner 1939 das Salzburger Seelsorgeamt. Auch andere Diözesen folgend diesem Beispiel. Der Satz ist richtungweisend.
„In Ansehung der besonderen Zeitbedürfnisse“: Die Einrichtung der Seelsorge- bzw. Pastoralämter in den österreichischen Diözesen erfolgt in der Situation der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich. Es handelt sich jedoch nicht einfach um eine Gegenmaßnahme, sondern um eine Maßnahme FÜR die Seelsorge – und damit für die Menschen. Das Seelsorgeamt wird „ins Leben gerufen“ und bleibt „ins Leben gerufen“.
Findig soll es sein, Wege zu finden. Alte und neue. Aber nicht für sich selbst, sondern um sie anderen zeigen und zur Verfügung stellen zu können. Dem Klerus und allen Getauften. Der bis heute gültige und prägende Grundauftrag des Seelsorgeamtes ist die „PfadfinderInnen- und Service-Funktion“ als Innovationspool für die pastorale Praxis.
Freilich ist das Seelsorgeamt zu Beginn praktisch eine One-Man-Show. Domkapitular Sebastian Achorner ist 1939 bis 1945 damit beauftragt. Zwischen 1961 und 1964 wird er das Amt erneut leiten. Inhaltliche Impulse werden zu dieser Zeit über die Vorschreibung der Themen für die Pastoralkonferenzen (Dekanatskonferenzen) gegeben. Die Themen klingen vertraut, z.B. 1942: Wie führe ich die Jugend zu aktiver Mitfeier in der Messe?
Bald ist das Seelsorgeamt – in Ansehung der Zeitbedürfnisse – dann auch in das Thema „Flüchtlingsseelsorge“ involviert. 1945 bis 1961 sitzt Domkapitular Franz Simmerstätter dem Amt vor.
Mit der Diözesansynode 1948 erfindet sich die Erzdiözese neu. Die Synode ist ganz vom Wiederaufbau der diözesanen Strukturen bestimmt. Geredet wird über fast alles – bis hin zur regelmäßigen Lüftung der Kirchenräume.
Die Wiederaufnahme des Gewohnten trifft mit dem Aufkeimen des Künftigen zusammen. So beginnen die Synodentexte mit dem Satz: „Wohl und Wehe der Kirche ist in die Hände des Klerus gelegt.“ Zugleich begründet die Synode mit der Einführung des Pfarrausschusses eine Beteiligungsstruktur für alle Getauften.
1950 wird als offizielles Thema der Herbst-Pastoralkonferenzen vorgeschrieben: „Was ist die Pfarrgemeinde und welche Stellung und Aufgabe haben die Katholische Aktion und ihre Gliederungen in der Pfarrgemeinde?“ – Die „jüngere Hälfte der im Dekanat angestellten Pfarrer“ wird dabei übrigens zur „schriftlichen Ausarbeitung“ des Themas verpflichtet.
Der Dienstort des Seelsorgeamtes verändert sich 1950. Das erzbischöfliche Palais war ja vom Nazi-Regime besetzt und als Gauleitung missbraucht worden. Daher ist das Amt bis 1950 in St. Peter angesiedelt. 1950 kann dann die Übersiedelung auf den Kapitelplatz erfolgen.
Die Diözesansynode 1958 widmet sich dem Thema Verkündigung mit dem Schwerpunkt Predigt. Unter anderem referiert dort der spätere Seelsorgeamtsleiter Bruno Regner und wettert gegen das Zuspätkommen beim Gottesdienst, das dem Hören auf das Wort Gottes schade. Interessant ist aber besonders der Schluss, zu dem er kommt: „Wir leben nicht bloß in einem großen Umbruch, in dem manches abfällt, was bisher scheinbar sehr wichtig war; sondern auch in einem Aufbruch, der zu Optimismus" berechtigt. Prälat Bruno Regner leitet das Amt 1964 bis 1988.
Die 60er-Jahre sind geprägt von der Ausdifferenzierung des Seelsorgeamtes in verschiedene Referate. Vor allem in der Ära Regner wird die Sorge um wichtige Themenbereiche konkreten Personen anvertraut. Es entstehen Tourismuspastoral, Liturgiereferat, Bibelreferat, Katholische Glaubensinformation, Kirchenmusik, Gastarbeiter- und Ausländer-Seelsorge. Die Gründung der Referate orientiert sich an den Zeichen der Zeit und den Charismen einzelner Personen/ReferatsleiterInnen. Viele Referatsagenden müssen noch neben- oder ehrenamtlich wahrgenommen werden.
Neben der Liturgiereform werden die Auswirkungen des II. Vatikanischen Konzils in der gemeinsamen Verantwortung aller Getauften sichtbar. In der Diözesansynode 1968 bemüht sich die Erzdiözese um die Umsetzung der Konzilsdokumente.
So kommt es im Lauf des Jahres 1969 in allen Pfarren zur ersten Wahl der PfarrgemeinderätInnen. Die Erzdiözese Salzburg ist damit die erste Diözese in Österreich, in der flächendeckend gewählt wird. In der Diözese Graz-Seckau kommt es 1969 zur Wahl in acht Probepfarren.
Die Aufgabendifferenzierung setzt sich auch in den 70er-Jahren fort. Der Akzent liegt dabei jedoch auf der Beratung – nicht zuletzt im Gefolge der Auseinandersetzungen um die Fragen der Familienplanung und der Fristenlösung. Erkenntnisse und Instrumentarien der Psychologie werden in die Seelsorge eingebracht.
Es entstehen die Lebensberatung, die Blindenpastoral, das Ökumenereferat, die Familienberatungsstellen, die Behinderten- und die Krankenpastoral, das Sektenreferat.
Wurden in den 40er-Jahren die Themen für die Pastoralkonferenzen noch verordnet, so geben die Jahresthemen in den 70er und 80er-Jahren eine inhaltliche Orientierung vor. Es werden Umsetzungshilfen erarbeitet. Mit der Umsetzung sind immer stärker auch die Laien betraut
Die Jahresthemen der lauten in den 70ern:
72 – 73: Religiöse Vertiefung und Glaubenserfahrung in Gemeinschaft – Dienst in der Welt
74 – 75: Miteinander Kirche leben
75 – 76: Begegnung der Generationen
76 – 77: Glaube der die Welt verändert – Weltverändernder Glaube – Verantwortung der Eltern in Schule und Familie.
77 – 78: Glaube der die Welt verändert – einfach anders leben.
78 – 79: Gott ruft – auch heute
Man bemüht sich um den Einsatz zeitgemäßer Mittel, auch um breite Beteiligung zu ermöglichen z.B. durch die Medienverbundprogramme.
In den 80ern entstehen die Referate Pfarrliche Öffentlichkeitsarbeit, Bibliotheken, Wohnviertelapostolat. Die AV-Medienstelle wird dem Seelsorgeamt zugeordnet.
1987 gelingt es erstmals, den Wahltermin für den Pfarrgemeinderat in allen österreichischen Diözesen zu vereinheitlichen und damit einen verbindenden Lebensrhythmus einzuführen. Damit wird auch eine gemeinsame Vorbereitung und Öffentlichkeitsarbeit möglich. Salzburg ist „Vorort“ für die Pfarrgemeinderatsarbeit in Österreich. Die Zusammenarbeit auf Österreichebene wird in Salzburg koordiniert.
In Vorbereitung auf die PGR-Wahl 1997 erarbeitet die von Salzburg aus koordinierte Konferenz der österreichischen PGR-ReferentInnen ein neues gemeinsames PGR-Logo und formuliert ein Rahmenleitbild für die PGR-Arbeit in Österreich.
Alle fünf Jahre bringt die PGR-Wahl eine große Mobilisierungsansstrengung, die immer von Befürchtungen begleitet ist, es könnte diesmal nicht gelingen, die notwendigen Personen zu motiveren.
Die Zahl von österreichweit ca. 30.000 gewählten PGR-Mitgliedern bleibt relativ stabil. Ebenso die Erneuerungsquote von ca. 50%. Kein anderer Vorgang in der österreichischen Kirche ruft regelmäßig derart viele Menschen in die Verantwortung für ihr Christsein und die Kirche.
Die PGR-Mitglieder in Österreich leisten jährlich ca. 4,4 Mio ehrenamtliche Stunden.
1988 wird Prälat Balthasar Sieberer noch von Erzbischof Dr. Karl Berg zum Seelsorgeamtsleiter bestellt.
In den 90ern kommt es zwar immer noch zur vereinzelten Einrichtung von Referaten und Schwerpunkten. Mit der Ausbildung von Pastoralseminar-MentorInnen und GemeindeberaterInnen, es zeichnet sich jedoch eine neue Strategie der Begleitung und Unterstützung ab. Hauptamtlich angestellte pastorale MitarbeiterInnen erhalten Zusatzqualifikationen und stehen neben ihren gewohnten Dienstpflichten in der ganzen Diözese für längere Prozesse als GemeindeentwicklerInnen zur Verfügung.
An der Jahrtausendwende gibt es in der Erzdiözese zwar keine Diözesansynode, aber mit dem Diözesanforum einen breit angelegten Gesprächsprozess, der anschließend in die Diözesanreform mündet. Es folgen u.a. die ersten Ansätze zur Errichtung von „Seelsorgeräumen“ (die späteren Pfarrverbände).
Zur Diözesanreform werden im Jänner 1999 Pastorale Leitlinien erarbeitet. Die Überschriften dazu lauten:
Grundlagen
1. Im Auftrag Jesu Christi orientiert sich Seelsorge am Menschen In Jesus Christus begegnet Gott dem Menschen.
2. In gemeinsamer Verantwortung sind alle Getauften zum Aufbau des Reiches Gottes berufen und damit TrägerInnen von Seelsorge
3. Das Vertrauen auf den Heiligen Geist gibt Gelassenheit und Kraft
Wege
4. Seelsorge nach klaren Kriterien gestalten und überprüfen
5. Prioritäten setzen
6. Durch eine "Kultur des Aufhörens" Freiraum schaffen
7. Optimale Bedingungen für die MitarbeiterInnen schaffen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können
8. Hauptamtliche Seelsorge als Unterstützung verstehen
Strukturen
9. Der Vielfalt der Gesellschaft entsprechen vielfältige Seelsorgestrukturen
10. Die Pfarrstruktur erhalten
11. Die Pfarrseelsorge anhand der Grundaufträge strukturieren
12. Durch regionale Zusammenarbeit Stärken nutzen und Entlastung schaffen
13. Die hauptamtlichen MitarbeiterInnen in Teams zusammenfassen, um die Seelsorge gezielt zu unterstützen
14. Die Seelsorge vor Ort durch zentrale Einrichtungen unterstützen
Im Zuge der Diözesanreform ordnet sich auch das Seelsorgeamt neu. Nach einer langen Entwicklungsphase der Differenzierung und Ausfaltung rücken nun vermehrt Kooperation, Vernetzung und Synergie intern wie extern in den Blick. Die Vielfalt der unterschiedlichen Referate und Themenbereiche wird gemäß den vier Grundaufträgen Liturgie, Verkündigung, Diakonie und Gemeinschaft in vier Abteilungen gebündelt und im Wesentlichen an zwei Standorten (Kapitelplatz und Borromäum) zusammengeführt.
Als Beitrag zur Personalentwicklung für die Pastoral wird seit 2000 für studierende TheologInnen eine Jahrespraktikumsstelle ausgeschrieben.
In der Zeitschrift „kontakt“ werden ab dem Jahr 2000 die bis dahin monatlich ausgesandten Loseblattsammlungen „Mitteilungen des Seelsorgeamtes“ und die vierteljährliche „Pfarrgemeinderatsinformation“ zu einem gemeinsamen Informationsträger für Haupt- und Ehrenamtliche MitarbeiterInnen verschmolzen.
Das erste Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende bringt die Frage nach neuen Wegen der Verkündigung und als prägenden Akzent das Hinausgehen zu den Menschen – in der Form der regionalen Begegnungswochen, aber auch in Form von großen Festen und Events (Bibelfest, Lange Nacht der Kirchen usw.).
Dem Wunsch nach Begegnung und dem Erlebnis großer Gemeinschaft steht zugleich der Wunsch nach Individualisierung gegenüber. Durch die neuen Kommunikationsmittel werden auch neue Begleitungsformen möglich: Internetseelsorge, Internetexerzitien, die Bibelimpulsserie „Zelt des Wortes“, Onlineberatung etc.. Pilgern wird zum Mega-Thema. Die „Woche für das Leben“ wird organisatorisch unterstützt.
Die Bedeutung des Ehrenamtes bzw. der Freiwilligkeit wird zum gesellschaftlichen Thema. Dem Seelsorgeamt kommt immer stärker die Aufgabe einer Personalentwicklungsstelle für Ehrenamtliche zu.
Rund um den Papstbesuch 2007 in Mariazell erreicht die Zusammenarbeit der PGRs in Österreich eine neue Dimension: vor den Wahlen 2007 und 2012 reflektieren die Pfarren ihre Arbeit in Form von „Apostelgeschichten der Gegenwart“, die gesammelt in Rom übergeben werden.
2010 kommt es zum ersten PGR-Kongress, dem 2014 ein weiterer folgt.
Zu Adventbeginn 2013 wird das Neue Gotteslob in der Erzdiözese eingeführt, dessen Erstellung vom Salzburger Kirchenmusikreferat über zehn Jahre koordiniert wurde.
Mit der Begegnungswoche „Pinzgau:Kirche“ im Dekanat Stuhlfelden beginnt 2002 die Entwicklung jenes Projektes, das 2005 in der Stadt Salzburg dann erstmals unter dem Titel „Offener Himmel“ durchgeführt wird. Auf der Suche nach „alten und neuen Wegen“ zu den Menschen entwickeln sich u.a. Straßenaktionen, die großen Auftaktveranstaltungen (z.B. 2005 „SalzBurgLicht“) uvm.. Verkündigung, Bestärkung und Vernetzung sind die Ziele der Begegnungswochen, die jeweils in einjährigen Vorbereitungsprozessen in der Region entwickelt werden.
Mittlerweile hat der „Offene Himmel“ in folgenden Dekanaten Station gemacht: 2002 Stuhlfelden, 2003 Saalfelden, 2004 Tamsweg, 2005 Stadt Salzburg, 2006 Altenmarkt, 2008 Kufstein, 2009 Hallein, 2010 Thalgau, 2011 St. Johann im Pongau, 2012 Brixen im Thale, 2013 St. Georgen. 2015 kehrt der Offene Himmel in den Großraum der Stadt Salzburg zurück. Zum Friedenskonzert am Beginn kommen auch viele Flüchtlinge in den Dom.
Der „Offene Himmel“ ist inzwischen zu einem Markenzeichen der Erzdiözese geworden.
Der Abschied von Balthasar Sieberer als Seelsorgeamtsleiter im Jahr 2016 – immerhin nach 28 Jahren – markiert einen neuen Wendepunkt und Aufbruch. Für ein Jahr übernimmt Mag. Roland Rasser das Seelsorgeamt, bevor Erzbischof Lackner ihn zu seinem Generalvikar beruft. Ihm folgt 2017 zum erstenmal kein Priester und zum erstenmal wird eine Frau zur Leiterin des Seelsorgeamtes bestellt: Mag. Lucia Greiner.
Vieles bleibt unerzählt. Das Seelsorgeamt hat eine Schwäche: Wir sind keine großen Archivierer. Pfadfinder reisen mit leichtem Gepäck. Wir freuen uns aber sehr, wenn Sie uns mit Ihren Geschichten helfen, unsere Geschichte zu erzählen.