Die Ausführungen gliedern sich in vier Teile:
I) Das Zweite Vatikanische Konzil als „kopernikanische Wende" im Hinblick auf die christlich-islamischen Beziehungen.
II) Analogien und Gegensätze in der Lehre des Christentums und Islams.
III) Maßgaben zur Konvivenz.
IV) Der christliche Sendungsauftrag gegenüber den Muslimen.
Mit Recht hat man die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils als „kopernikanische Wende" in den Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Muslimen und damit dem Islam bezeichnet. Dabei ist die Last der Geschichte dieser Beziehungen offenkundig: militärische Ausbreitung des arabisch-islamischen Reichs, demütigende Einordnung der christlichen Kirchen als „Beschützte" (dhimmis) unter die Hoheit des herrschenden Islam, Kreuzzüge, Inquisition, Türkenkriege usw...
Telegrafisch gesprochen kann man die durch das Konzil eingeleitete säkulare Wende darin sehen, dass die Kirche nun offiziell beginnt, die Muslime primär und "mit Hochachtung" als Partner in der Anbetung des "alleinigen Gottes" zu betrachten, "des lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, des Schöpfers Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat." (Nostra Aetate, Nr.3) Dieser Paragraph sowie die Aussage von Lumen Gentium, Nr. 16: "Der Heilswille [Gottes) umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen" können gar nicht oft genug im Glauben bedacht werden. Sie sprechen vom Islam nicht in abstracto, eher im Spiegel des gelebten Glaubens der Muslime.
KOMMENTAR ZU DEN KONZILSTEXTEN:
Folgende weitere Aspekte der beiden Texte verdienen es, besonders unterstrichen zu werden:
Außerordentlich bedeutsam ist der zweite Teil des Paragraphen von Nostra Aetate: Katholiken und Muslime werden - trotz gegenseitiger Wahrheitsansprüche in der Glaubenslehre – zu gezielter Vergangenheitsbewältigung und zur Zusammenarbeit aufgefordert mit dem Hauptziel, wo immer möglich gemeinsam den Herausforderungen des modernen Denkens, der modernen Zivilisation zu begegnen, nicht nur um den Glauben an Gott zu retten, besonders unter den jungen Menschen, sondern auch, damit ein aufrichtiger Glaube dazu beitrage, unsere Zivilisation von Gefahren, die dem Gottesglauben vom Neuheidentum her drohen zu retten und um gemeinsam eine bessere Welt zu bauen.
Der zweite Schritt will einerseits klären, in welcher Hinsicht die Lehre und normative Praxis des Islam Gemeinsamkeiten bzw. Analogien mit dem Glauben und der Praxis des Christentums aufweisen und will andererseits zeigen, wie die Lehre und normative Praxis des Islam den christlichen Glauben und gewisse christliche Moralvorstellungen grundsätzlich in Frage stellen. Kurz, es gilt zu sehen, in welchem Sinn sich der Islam als die definitiv von Gott gewollte Alternative zum Christentum versteht und die Christen im Namen Gottes einlädt, auf das „Zeugnis der Wahrheit" (schahadat al-haqq), das die weltweite Gemeinschaft der Muslime zu leben sich berufen weiß, durch Konversion zum Islam oder zumindest mittels effektiver Sympathie für die Bemühungen des Islam in der gottlosen Welt von heute, positiv zu antworten.
Eine angemessene Einschätzung des Islam wird durch den Umstand erschwert, dass angesichts gleicher oder ähnlicher Begriffe manche Gemeinsamkeiten zwischen dem christlichen und islamischen Glauben zu bestehen scheinen. In Wirklichkeit verdecken diese nicht selten gravierende Divergenzen. Einzelne biblische und koranische Aussagen gilt es jeweils aus der Mitte ihrer Gesamtaussagen heraus zu verstehen. Das soll an den wichtigsten Themen des Glaubens deutlich gemacht werden. Dabei stellen wir hier vor allem die mehrheitlich islamische Lehre dar und setzen ein adäquates Verständnis der christlichen Lehrpunkte weitgehend voraus.
1. Offenbarung und Heilsgeschichte
Gemeinsamer Glaube. Sowohl Christen als auch Muslime gründen ihren Glauben auf Offenbarungsereignisse, die jeweils zur Abfassung eines Buches geführte haben. Die „Heilige Schrift (Bibel) und der „Edle Koran'' gelten in der jeweiligen Religion bis heute als die wesentliche Wegweisung für das Leben und den Glauben der Menschen.
Während der Koran jedoch aus den 25 Jahren des öffentlichen Lebens des Muhammad stammt (610-632 AD), stellt die Bibel eine ganze Bibliothek von Schriften und den verschiedensten Literaturformen dar, aus einem Zeitraum von vielen Jahrhunderten, immer im Zusammenhang mit der Geschichte des kleinen Volkes Israel und der Gemeinschaft, die sich nach dem Tode Jesu als das neue Israel verstand. Außerdem: während der islamische Glaube den Koran als das — mit allen früheren, authentisch geoffenbarten heiligen Schriften wesentlich identische — letztgültige Wort von der absoluten Transzendenz Gottes bekennt, verstellt sich die Bibel als von Gott inspiriertes menschliches „Ergebnis" eines langen historischen Prozesses des „Kommens" Gottes selbst, des Gottes „mit uns" (Ernmanuel), der nach christlichem Glauben in Jesus unter uns lebt und die gesamte Menschheit zur Teilhabe am drei-einen göttlichen Leben einlädt.
2. Gott
Gemeinsamer Glaube: Sowohl Christen als auch Muslime glauben, dass der eine Gott der Schöpfer des Himmels und der Erde und jedes einzelnen Menschen ist. Er ist deshalb von ihnen anzubeten und zu loben. Sie glauben, dass er allein die Antwort auf die letzten Fragen des Menschseins in der Welt ist und am Ende der Zeiten alle Menschen im Gericht zur Verantwortung ziehen wird.
Der Koran spricht von Gott als dem Ewigen, Einzigen, Allmächtigen, Allwissenden und Barmherzigen (vgl. Sure 2,255; 59,22-24), dessen Wesen aber verborgen bleibt, weil er zu erhaben ist. Nach dem islamischen Glauben ist Gott dem Menschen zwar nahe, aber er befähigt den Menschen nicht, als Töchter und Söhne in intimer Beziehung zu sich als „Abba-Vater" zu ]eben. Gott bleibt in sich eins, absolut unabhängig und letztlich von seinen Geschöpfen getrennt. Er hat durch seine Propheten seinen Willen und das drohende Gericht verkünden lassen. Erst im Gericht erfährt der Mensch, welches Schicksal ihm Gott bestimmt hat.
Muslime betonen die absolute Einheit Gottes.Für sie ist der Glaube an die Dreieinigkeit Gottes eine Form der „Vielgötterei", der schlimmsten Sünde, deren sich der Mensch schuldig machen kann. (vgl. Sure 5,72ff.; 4,171) Nach islamischem Glauben hat Gott als der Schöpfer weder geistliche noch leibliche Kinder (vgl. Sure 10,68; Sure 112 [al-ik-hlas) und kann deshalb nicht der Vater Jesu Christi sein. Muslime verstehen sich nicht als Kinder, sonder als Diener (Knechte, „Ergebene") Gottes.
3. Jesus Christus
Gemeinsamer Glaube: Bibel und Koran berichten von Jesus Christus nur wenig Gemeinsames: Gott hat Jesus (als Christus) zu den Juden gesandt; Jesus wurde von der Jungfrau Maria geboren, hat gepredigt und Wunder gewirkt. Er ist in den Himmel aufgenommen worden.
Der Titel „Christus" (arab. „al-masih") wird im Koran (vgl. Sure 3,45) in Verbindung mit "isa (Jesus) verwendet. Es ist unklar, was der Koran unter diesem Titel versteht. Der Name "isa hat keine besondere Bedeutung. Im Koran wird Jesus im allgemeinen als „Sohn der Maria" bezeichnet.
Der Koran nennt Muhammad das „Siegel der Propheten" (Sure 33,40) und erhebt ihn damit über Jesus Christus. Muslime glauben, dass Muhammad Kommen schon in der „Thora" (Altes Testament) und im „lndschil" (Neues Testamnent)angekündigt wurde (Sure 7,157). Jesus ist nach dem Koran nicht gekreuzigt worden und nicht auferstanden. Eine Kreuzigung wäre eine schmachvolle Niederlage für Gott und seinen Gesandten gewesen. Jesus hätte mit seinem Tod auch keine Erlösung erwirken können. Über Jesu irdisches Ende macht der Koran keine klaren Angaben. Verbreitet ist die Deutung, dass Gott ihn vor seinem Tod vor seinen Feinden entrückt habe und einen anderen –genannt wird meist Judas – an seiner Stelle kreuzigen ließ (vgl. Sure 4,157-158). Die meisten Muslime glauben, dass Jesus jetzt lebendig im Himmel ist. Nach islamischer Überlieferung werde Jesus vor dem Ende der Zeit auf die Erde zurückkehren, u. a. alle Kreuze vernichten und alle Menschen zum Islam rufen. Er werde dann sterben und wie alle anderen Menschen zum Jüngsten Gericht auferweckt werden.
4. Sünde, Erlösung und Gemeinsamer Glaube:
Bibel und Koran betonen, dass es dem Willen Gottes entspreche, an Gott und nach seinen Geboten zu leben. Vor Gott dem Schöpfer müssen sich alle Menschen verantworten. Durch die Übertretung der Gebote Gottes" werden die Menschen vor Gott schuldig und bedürfen seiner Barmherzigkeit und Vergebung. Bibel und Koran kennen sowohl ewiges Heil als auch ewige Strafe.
Nach dem Koran haben Adam und seine Frau zwar Gottes Gebot übertreten und deshalb das Paradies verloren, aber in ihrem Verhältnis zu Gott habe sich grundsätzlich nichts geändert (vgl. Sure 2,35-39). Der Islam kennt nicht die Abgrundtiefe des „Sündenfalls" und lehnt eine „Erbsünde" ab. Der Tod sei nicht die Folge der Sünde, sondern im Willen Gottes begründet. Die Bibel macht deutlich, dass der Mensch seit seinem Sündenfall böse ist (vgl. Rin 3,10-1 l ). Seine Sünden richten sich nicht nur gegen seine Mitmenschen, sondern letztlich gegen Gott selbst (vgl. Ps 51,6). Er kann deshalb seine Schuld von sich her nicht wieder gut machen. Dies eigenmächtige Bemühen führt zum Hochmut vor Gott (Eph 2,9) und damit zu größerer Verfehlung.
Muslime glauben dagegen, dass der Mensch stets in der Lage sei, sich zwischen dem Guten und dem Bösen zu entscheiden. Er könne das Gute tun und durch das Einhalten der Gebote Gottes Gunst und Belohnung erhoffen. Wenn er jedoch gegen Gottes Gebote verstoße, schade er in ersten Linie sich selbst (Sure 7,23).
Nach islamischen Glauben kann der Mensch seine Sünde durch „gute Taten" ausgleichen. Die Strafe Gottes im Gericht könne also davon abhängen, wie viele „gute und schlechte Taten" der Mensch begangen habe. Über den Ausgang von Gottes Gericht könne es dennoch keine Gewissheit geben, weil nur die Engel die menschlichen Taten gegeneinander abwägen können und Gott im Vergeben und Strafen letztlich frei sei.
Der seine Sünde bereuende Muslim hofft auf Gottes Vergebung und Barmherzigkeit, welche im Koran gerühmt wird (z.B. Sure 3,31).
Er kann jedoch im gegenwärtigen Leben keine Gewissheit der Vergebung und des Eingangs in das Paradies haben. Auch der Allbarmherzige Gott ist frei und unabhängig in dem Sinn, dass sein Handeln nicht eindeutig festzulegen ist. Nur die im Kampf für die Sache Gottes (arab. djihad) gefallenen Muslime (Märtyrer) können des Paradieses gewiss sein (vgl. Sure 2.154).
5. Der Heilige Geist
Die formalen Gemeinsamkeiten zwischen Bibel und Koran sind an dieser Stelle sehr gering.
Der Koran kennt einen „Geist der Heiligkelt" (der z.B. Jesus „gestärkt" habe, Sure 2,87). Die Bedeutung des „Geistes der Heiligkeit" bleibt unklar und bezieht sich nicht auf die Sünde und deren Aufdeckung. Nach islamischer Lehre begleitet dieser „Geist" die Offenbarung der Schriften, die auf die Gesandten herabgesandt wurden (auf Mose die Tora, auf David die Psalmen, auf Jesus das Evangelium und auf Muhammad der Koran, vgl. Sure 16,102)
6. Das Gesetz
Gemeinsamer Glaube: Christen und Muslime wissen sich von ihrem Glauben her aufgefordert, den Willen Gottes in ihrem Leben umszusetzen. Muslime können die Worte des Gebets des Herrn: „Dein Wille geschedhe“ voll und ganz teilen“
Für den Islam gibt es nur eine Rechtsquellle: Gott. Was Wille Gottes ist, wird in Koran und Sunna ausgemacht. Wenn sich in beiden keine unmittelbaren Vorschriften finden, und nur dann, erlaubt sich ein muslimischer Jurist, solche zu entwickeln, aber dies auf der Grundlage der Prinzipien von Koran und Sunna, durch Analogieschlüsse aus diesen Quellen.
Die islamische Rechtslehre, und die darin integrierte Morallehre des Islam (ahkam: von Gott offenbarte Weisungen), unterschiedet zwischen Verhalten, das absolut geboten oder verboten ist. So gibt es keine Dispens vom Gebet und keine Entscheuldigung für Mord. Dazwischen unterscheiden Muslime Handlungen, die üblich oder erwünscht sind, von solchen, die als unerwünscht möglichst zu meiden sind, sowie von moralisch neutralem Verhalten. Qunatitativ soll der neutrale Bereich der umfangreichste sein; denn grundsätzlich gilt im Islam alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist.
Der Koran warnt sogar vor dem irregeleiteten Versuch, aus falscher Frömmigkeit die Handlungsfreiheit des Menschen zu beschneiden (Sure 5,101; schließlich will der Islam das Leben erleichtern und nicht erschweren (Sure 2,185; 22,78).
Dennoch wird ein gewissenhafter Muslim sich dem fernhalten, von dem »lediglich« abgeraten wird, und in der Regel tun, was »lediglich« empfohlen ist. Zumal in puritanisch gestimmten islamischen Bewegungen tendiert deshalb das meiste schließlich doch zur schwarz-weißen Alternative von Gut und Böse. Die islamische Theologie hat keine Liste von »Zehn Geboten« erstellt, obwohl es zwei koranische Verse gibt, welche dem nahe kommen (Sure 6,151 f.). Es ist nicht möglich, hier alles aufzuzählen, was das islamische Recht einem Muslim zu tun erlaubt, nahe legt oder befiehlt. Unter vielen anderem seien ein paar Islam-spezifische Vorschriften genannt.
Der Begriff »Menschenrechte« kommt ebenso wie in der Bibel auch im Koran nicht vor, zumal Individuen als Gottes Geschöpf aus religiöser Sicht nicht als eigenständige Träger von Rechten gedacht werden können; denn nur Gott verleiht bzw. gewährt Rechte. Deshalb konnte sich die Vorstellung von Menschenrechten nur im geistigen Klima der Aufklärung entwickeln. Trotzdem lässt sich unschwer nachweisen, dass alle klassischen Menscherechte schon seit 1400 Jahren im Koran verankert waren, und zwar als Reflexrechte. Aus dem Verbot der Tötung lässt sich eine Recht auf Leben herauslesen, etc.
Gesetz bedeutet in biblisch-christlicher Tradition vorwiegend Lebensweisung, die zur Gemeinschaft mit Gott führt. Jesus hat das mosaische Gesetz nicht außer Kraft gesetzt. Die »Erfüllung« des Gesetzes (vgl. Mt 5,17.19) geschieht jedoch nicht, indem Jesus den schon bekannte Gesetzen der Thora weitere hinzufügt, um auf diese Weise das Gesetz zu vervollständigen. Er verfolgt einen anderen Weg, indem er zusammenfasst und nach den Prinzipien der Einzelgebote fragt, die ihnen Leben einhauchen. Indem er reduziert, steigert er den Anspruch. Deutlich wird dies in der Frage des Schriftgelehrten, welches das »erste Gebot von allen« sei. Jesus antwortet darauf mit der Wiederholung des Doppelgebotes von Gottes- und Nächstenliebe als der Zusammenfassung des ganzen Gesetzes (vgl. Mk 12,29-31 und Parallelen). Seine Verkündigung von der Herrschaft Gottes veränderte somit grundlegend den Stellenwert der einzelnen Gesetzesvorschriften der Thora sowie den der früh jüdischen Gesetzesauslegung. An Jesu Verhalten, Hinrichtung und für das Gesetzesverständnis verschiedene Konsequenzen gezogen. Von besonderer Bedeutung und Tragweite ist dabei die paulinische Einsicht, dass der entscheidende Heils weg nicht das Gesetz sondern Jesus Christus ist, der im Heiligen Geist in seiner Kirche und ihren Gliedern weiterwirkt und sie leitet.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Zwischen christlichem und islamischem Glauben gibt es gewisse Gemeinsamkeiten. Gestalten aus dem Alten Testament – z.B. Adam, Noah, Abraham, Josef, Mose, Hiob, David, Salomo und Jona – begegnen uns im Koran. Selbst Jesus Christus und der „Geist der Heiligkeit" werden dort erwähnt. Das hängt damit zusammen, dass Muhammad ca. 600 Jahre nach Jesus Christus lebte (570-632 n. Chr.) und von Juden und Christen Informationen über einzelne biblische Gestalten und Inhalte auf diesem oder einem Wege erhalten hatte und erhielt.
Gleiche bzw. ähnliche Begriffe stehen jedoch nicht unbedingt für gleiche Inhalte. Gerade an Jesus Christus werden die zentralen Unterschiede zwischen Bibel und Koran sichtbar. Die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, die Gottessohnschaft Jesu, sein Sühnetod am Kreuz und die Dreieinigkeit Gottes sowie die recht verstandene Befreiung des Christen vom Buchstaben des Gesetzes durch das Geschenk des Heiligen Geistes sind unaufgebbare Eckpfeiler biblisch-christlichen Glaubens, aus der Sicht des Islam aber gotteslästerliche Verirrungen.
Aufgrund dieser zentralen Unterschiede ist offensichtlich, dass das vom Neuen Testament bezeugte und in der Kirche weitergegebene Geschenk des Glaubens an den Allmächtigen Schöpfer und Vater Jesu Christi nicht dasselbe ist wie die Unterwerfung, die aktive Hingabe unter den vom Koran gemeinten Gott.
Der Islam ist insofern gegen die Gemeinde Jesu Christi gerichtet, als er den Anspruch stellt, die einzig wahre Religion zu verkünden, d.h. u. a. auch die Wahrheiten und Grundentscheide Gottes, die Jesus als wahrer Prophet nach islamischer Sicht verkündet hat. Die muslimische Gemeinschaft hat den Auftrag, die Welt nicht nur vom Schatten der Gottvergessenheit und Götzenverehrung, sondern auch von den Irrlehren der Juden und Christen zu befreien und soweit möglich mit politischen Mitteln die Gott letztlich einzig wohlgefällige individuelle und soziale Lebensform einzuführen. Die „Duldung" der Christen ist somit keine grundsätzliche, sondern eine pragmatische, auf die eventuelle Überwindung der Irrtümer der Christen abzielende. Im Laufe der Geschichte bis heute sind von verschiedenen Gruppen und Denkschulen im Namen des Islams recht unterschiedliche Mittel und Methoden vertreten worden, um der Wahrheit des Islam und der Vorherrschaft der Gemeinschaft der Gläubigen in dieser Welt zum Durchbruch zu verhelfen.
Die Christen als „alte" Mitbürger sind gerufen, in Gerechtigkeit und Harmonie mit den Muslimen als „neuen" Mitbürgern zu leben, bei uns in Europa, innerhalb der pluralistisch angelegten Demokratie im Lichte der Lehren von DH und GS. Nach welchen Maßgaben?
Die katholischen Christen wissen sich sozusagen doppelt, sowohl von den unmissverständlichen Aussagen von Dignitatis Humanae (Nr. 2) und Gaudium et Spes (Nr. 75) als auch vom Grundgesetz der Republik Österreich her aufgefordert, selbstkritisch zu fragen, ob sie wirklich das Ihre tun, damit den Muslimen auf individueller und korporativer Ebene in der Gesellschaft Gerechtigkeit widerfährt. Wird den Muslimen und ihren Nachkommen in Österreich als neu Hinzugekommenen ehrlich, effektiv und kreativ, geholfen, innerhalb der religiösen Vielfalt in Österreich, den Platz einzunehmen, der ihnen heute an der Seite der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde zukommt? Mit anderen Worten, wird von den katholischen Christen als einzelnen sowie von der katholischen Hierarchie im Namen der kirchlichen Gemeinschaft auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene das Nötige und Mögliche getan, um den berechtigten Forderungen der Muslime nach religionsspezifischer Gestaltung ihres Lebens zur Verwirklichung zu helfen?
Es gibt berechtigte muslimische Forderungen, die auch bei Katholiken auf Unverständnis oder Widerstand stoßen. Etwa Forderungen im Bereich des Moscheebaus, der Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen, Forderungen im Bereich von Speise- und Kleidervorschriften, der geistlichen Betreuung von Kranken und Gefangenen und schließlich der Bestattung. Verfassung und Gesetzgebung Österreichs geben die Maßstäbe für den Umgang mit muslimischen Gemeinschaften vor. Eine selbstgefällige Haltung Alteingesessener, die neu Hinzugekommenen mögen sich nur einfach der neuen Umgebung angleichen, würde in die Sackgasse führen. Allerdings sind katholische Christen und Bürger ebenfalls aufgerufen, aufgrund der Unterscheidung, wo muslimische Gruppen offen oder indirekt in Namen des Islam und des vermeintlichen Freiheitsrahmens der österreichischen Verfassung einer Mentalität und Praxis des Islam Vorschub leisten, die dem Geist der Verfassung und damit auch dem Geist toleranter Religionsauffassung widersprechen und diesen somit untergraben. Freiheiten dürfen nicht nur eingefordert, sie müssen, sowohl nach innen wie auch nach außen gewährt werden. Ferner findet die eigene Freiheit ihre Grenzen an der Freiheit der anderen.
Was das immer wieder erwähnte „Prinzip der Reziprozität" angeht, das von europäischer und christlicher Seite gefordert wird – im Hinblick auf die diskriminierende Behandlung - und hier und da gar eklatante Verfolgung - christlicher Minderheiten in einigen muslimisch mehrheitlichen Ländern, so sollten die Muslime von uns sicherlich immer wieder an dieses moralische Grundprinzip der Gerechtigkeit („Die Goldene Regel”) erinnert werden und unsere Politiker sollten weltweit in diesem Sinne handeln. Anderseits gilt jedoch: Wir als Christen dürfen und wollen unser Handeln nicht von der Erfüllung des Prinzips der Gegenseitigkeit abhängig machen. Einmal, weil die Muslime in Europa nicht einfach verantwortlich gemacht werden können für ungerechtes Verhalten von Muslimen in anderen Ländern, vor allem aber, weil christliches soziales Handeln sich an Prinzipien und Ideale gebunden weiß, die weit über den Grundsatz „do ut des" hinausgehen.
Ein zukunftsträchtiges Zusammenleben in Verschiedenheit kann nicht gelingen ohne dass auf beiden Seiten, derjenigen der Mehrheitsgesellschaft und ihrer Komponenten sowie derjenigen der muslimischen Minderheiten, bestimmte Grundhaltungen und Grundüberzeugungen als allgemein bindende und verpflichtende Ideale und Ziele anerkannt werden. Im Übrigen gibt es kein überzeugenderes Argument für die Glaubwürdigkeit der Christen als Zeugen der Botschaft Jesu Christi als ihr individuell und korporativ selbstloser Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden in kultureller und religiöser Verschiedenheit innerhalb der einen deutschen, österr., europäischen Verfassungsordnung.
Worin besteht dann die Aufgabe und Chance des christlichen Sendungs- bzw. Missionsauftrags gegenüber den Muslimen. Zunächst geht es darum, im Dialog, mit den Muslimen immer wieder den gemeinsamen Horizont und die gemeinsamen Ziele aufscheinen zu lassen, die Christen und Muslime trotz aller Differenzen im Glauben eint und dann - klug unterscheidend - gemeinsame Ziele auszumachen und im Handeln anzugehen.
Dieser Dialog verlangt von den Christen aber ebenfalls, „stets bereit zu sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnunng fragt", die sie erfüllt, aber „bescheiden und ehrfürchtig mit reinem Gewissen" (1 Petr 3,15). Leider weichen viele Christen den offenen oder versteckten Anfragen der Muslime hinsichtlich ihres Glaubens nicht selten aus, sei es aufgrund von Unsicherheit oder falsch verstandener Irenik. Sie sind versucht, aus diesem oder jenem Grund das Unterscheidende der christlichen Botschaft zu unterschlagen: die Frohe Botschaft von der bedingungslosen Selbstmitteilung Gottes des Vaters in Jesus Christus durch den Heiligen Geist. Es tut ihnen der Wille und die Fähigkeit Not, mit Freimut und zugleich Respekt für die Muslime und für alles Wahre, Gute und Schöne, das diese leben, das Geschenk ihres christlichen Glauben zu bezeugen. Es geht um die Wahrheit, die in und mit Christus der Kirche und damit einem jeden von uns anvertraut ist, damit wir sie actione caritatis et verbo veritatis auch mit den Muslimen „teilen" und die Muslime zur vollen Teilnahme am Leben Gottes im Sakrament der Kirche einladen.
Literatur: Christian Troll, Muslime Fragen Christen antworten
Topos plus Taschenbücher, Band 489
Auf der Internetplattform:
www.antwortenanmuslime.com geht Christian W. Troll auf Fragen wie Gottesbild, Menschenbild, Muhammad als Prophet, Kreuz und Tod Jesu uvm. ein.
Zur Diskussion rund um den Bau von Moscheen und Minaretten in Österreich
In den letzten Wochen wurde in der Öffentlichkeit sehr kontrovers über den Bau von Minaretten sowie über den Islam im allgemeinen diskutiert. Einige Argumente aus christlich-katholischer Perspektive sowie der österreichischen Rechtsauffassung könnten meines Erachtens in der Begegnung mit Muslimen in unserem Land hilfreich sein.
Das 2. Vat. Konzil erklärte 1963 „dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang …, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln …“ Weiters haben einzelne, Gruppen und die Staatsgewalt als ganzes die Pflicht die Religionsfreiheit zu schützen. Daher darf es keine Diskriminierung der Bürger auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit geben. Jede Gewaltanwendung zur Zerstörung oder Behinderung der Religion widerspricht dem Willen Gottes, den Rechten der Person und der Völkerfamilie.
Demzufolge muss auch jeder Religionsgemeinschaft das Recht zugestanden werden, die ihr entsprechenden Gebetsräume und Gotteshäuser errichten zu dürfen. Dieses Recht gilt unabhängig von der „religiösen Tradition“ eines Landes. Argumente wie: „Unsere religiösen Wurzeln in Europa sind doch christlich“ gehen an der Diskussion vorbei Eine selbstgefällige Haltung Alteingesessener, die neu Hinzugekommenen mögen sich nur einfach der neuen Umgebung angleichen, werden in die Sackgasse führen. Auch ein Vergeltungsdenken wie: „Wenn die Christen in der Türkei oder in einzelnen arabischen Staaten keine Kirchen bauen dürfen, dann dürfen die Muslime hier auch keine Moscheen bauen.“, entsprechen meines Erachtens nicht der Position des Konzils.
1. Moschee in Österreich; Wien-Floridsdorf, erbaut 1979 |
Allerdings sind katholische Christen aufgerufen, genau hinzusehen, wo muslimische Gruppen offen oder indirekt im Namen des Islam einer Mentalität und Praxis des Islam Vorschub leisten, die dem Geist der Verfassung und damit auch dem Geist toleranter Religionsauffassung widerspricht. Freiheiten dürfen nicht nur eingefordert, sie müssen, auch gewährt werden. Ferner findet die eigene Freiheit ihre Grenzen an der Freiheit der anderen.
Weiters spricht das Konzil mit „Hochachtung“ von den Muslimen als Partner in der Anbetung des "alleinigen Gottes", "des Schöpfers des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat." Papst Johannes Paul II sprach bei seinem Deutschlandbesuch 1980 auf dem Domplatz in Mainz die Muslime mit folgenden Worten an: „Ihr gehört zu der großen Pilgerschar von Menschen, die seit Abraham immer wieder aufgebrochen sind, um den wahren Gott zu suchen und zu finden. Wenn Ihr Euch auch in der Öffentlichkeit nicht scheut zu beten, gebt Ihr uns Christen dadurch ein Beispiel, das Hochachtung verdient.“ Wie anders hörten sich da die Aussagen so mancher „christlicher“ Politiker in den letzten Wochen an.
Wie schaut nun die Position der Österreichischen Verfassung aus? Ich beziehe mich dazu auf ein Interview mit Jürgen Wallner vom Institut für Religionsrecht der Universität Wien in einem Ö1-Mittagsjournal Ende August. Demzufolge kann der Bau eines Minaretts, einer Moschee, einer Kirche oder einer Synagoge nicht an sich verboten werden, weil dies dem verfassungsmäßigen Recht der Freiheit der Religionsausübung widersprechen würde. Es sei aber möglich, die Rahmenbedingungen so zu sehen, dass der Bau fast unmöglich wird, erklärte Herr Wallner. Laut dem Beitrag wäre es denkbar, ein Minarett zu untersagen, etwa wenn es "aufgrund seiner extremen Höhe oder wie auch immer gearteten Bauform das Ortsbild zerstören würde, beziehungsweise sonst allgemeinen Bauvorschriften nicht entsprechen würde, die genauso für einen Fabriksschlot gelten würden", so Wallner. Dem steht das Recht der freien Religionsausübung gegenüber, zu dem es auch gehört, dass es die dazugehörigen Einrichtungen gibt. Diese beiden Güter - Ortsbild und Baurecht vs. Religionsfreiheit - müssen von Fall zu Fall gegeneinander abgewogen werden.
Dies geschieht in den jeweiligen Gemeinden. "In der Regel ist es fast immer so, dass ein Kompromiss zustande kommt, das sieht unsere Rechtsordnung auch von Grund auf vor", erklärte Wallner auf Ö1. Es gehe "nicht um schwarz oder weiß, entweder oder, sondern um den Ausgleich der Interessen auf beiden Seiten".
Mag. Matthias Hohla, Referent für Ökumene; Referent für den interreligiösen Dialog