Ein kleiner Impuls zur Fastenzeit 2021
Immer noch in Zeiten der Pandemie …
Liebe Freundinnen und Freunde des KAV,
was wir schon länger befürchtet haben, tritt jetzt tatsächlich ein: wir müssen die Aschermittwochsfeier – coronabedingt – absagen. Wir hätten uns auf diese Stunde der Besinnung, auf Musik und Texte, auf Gebet und Begegnung gefreut, und wir hätten wie jedes Jahr zum Beginn der Fastenzeit das Aschenkreuz empfangen. Dieses Mal reden wir aber nicht nur über Verzicht und Entsagung, wir müssen wirklich verzichten auf die gemeinsame Feier. Die Absage ist alternativlos – und je gelassener wir diese Einschränkung annehmen, desto besser.
Es ist ja nicht die Fastenzeit, die abgesagt wird, sondern die Liturgie des Aschermittwochs in der Form, wie sie der KAV seit vielen Jahren pflegt: literarisch und musikalisch, spirituell und künstlerisch. Und darüber hinaus werden die kommenden Wochen wohl noch von vielen Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen geprägt sein. Das wird nicht allen von uns leicht fallen, aber vielleicht kann eine Chance dieser „besonderen Fastenzeit“ darin bestehen, dass wir die Emotionen, die uns in diesen Wochen bewegen, viel bewusster wahrnehmen, als wir das sonst tun: Welche Gefühle stellen sich bei uns ein, wenn unsere Kontakte nach wie vor reduziert sind und vieles mühsam ist? Welche Wünsche tauchen auf? Was bewegt uns, und wovon lassen wir uns leiten: Von Angst oder von Vertrauen? Von Zorn oder von Gelassenheit? Von der Panik, selbst zu kurz zu kommen, oder von der Sorge um andere? Von Bitterkeit und Frustration oder von der Freude über vieles, das uns trotzdem geschenkt ist? Von Kleinlichkeit oder von Großmut? Vom Ärger über die Entwicklungen, die unsere Planungen über den Haufen werfen, oder von der Dankbarkeit für das, was möglich ist?
Vermutlich ist von allem etwas dabei – und Gefühle sollen auch nicht bewertet und verurteilt, sondern einfach einmal wahrgenommen werden. Ein Maßstab für die Entscheidung, in welche Richtung wir uns entwickeln wollen, könnte die innere Freiheit sein: Was macht mich in meinem Denken und Tun aufmerksamer, solidarischer, selbständiger und freier – und was macht mich abhängiger, verschlossener und kurzsichtiger? Welche Gefühle lösen in mir eine Dynamik der Regression aus, die mich nur um meine Eigeninteressen kreisen lässt, und welche Gefühle helfen mir, zu wachsen und vielleicht auch über meinen eigenen Schatten zu springen?
Wie gesagt, nicht um die Beurteilung oder gar Unterdrückung unserer Wünsche, Gefühle und Sehnsüchte geht es, sondern um die Aufmerksamkeit auf die inneren Bewegungen, die uns in die eine oder andere Richtung lenken. Vielleicht kann ja diese Fastenzeit 2021 zu einer solchen Schule der inneren Aufmerksamkeit werden? In der Aschermittwochsliturgie wird vor der Austeilung der Asche darum gebetet, „die vierzig Tage der Buße in rechter Gesinnung zu begehen, damit wir das heilige Osterfest mit geläutertem Herzen feiern“. Wenn wir in den kommenden Tagen und Wochen zu einer solchen Haltung der Läuterung und der inneren Freiheit finden können, haben wir vermutlich das Beste aus dieser Zeit gemacht.
Franz Gmainer-Pranzl
Geistlicher Assistent des KAV